Album Review: Sting – 57th & 9th

Sting 57th & 9th

Ganze 13 Jahre hat es gedauert, bis Sting nun endlich mal wieder ein Album präsentiert. OK, die erste Single kam schon vorab im September, nun ist aber seit dem 11.11.2016 das neue Album 57th & 9th zu erwerben und ich kann jetzt schon sagen: es ist großartig und erinnert teilweise sehr an alte Zeiten von The Police.


Official Video

Die Single I Can’t Stop Thinking About You ist eingängig, absolut auf Charts getrimmt, klingt wie The Police und ist aber doch irgendwie anders, zeitgemäßer, moderner. Ein wirklich sehr guter Popsong. Es gibt Bands oder Sänger, die irgendwann klingen, als würden sie sich selbst kopieren. Dieses eher seltsame Gefühl kommt hier aber absolut nicht auf. Die Idee zum Song ist entstanden, als Sting alias Gordon Sumner regelmäßig in Manhattan an der Ecke 57th und 9th Straße entlang lief. So ist dann auch ganz klar der Titel des Albums zu erklären. Der Song 50,000 handelt von verstorbenen Rockstars wie z.B. David Bowie, Lemmy Kilmister und Prince. Er hält den Text zwar allgemein, schrieb den Song aber in der Woche, als Prince starb. Letztendlich brachte es ihn vor dem morgendlichen Spiegel auch zum Nachdenken und so entstand die Idee zum Text. Eine sehr wahre Aussage von ihm ist folgende: “Wir alle sterben… …Man muss sich sagen: Hey, deine Tage sind gezählt, also mach was draus.”  Ich denke jeder kommt irgendwann an den Punkt sich zu fragen, ob man seine Zeit im Leben sinnvoll genutzt hat. Down, Down, Down an sich ist langsamer, würde aber sicherlich auch noch als Song von The Police durchgehen, wenn auch eher nur im Refrain. Er verarbeitet hier offensichtlich seine Trauer einer gescheiterten Beziehung. Mit der Uptempo Nummer One Fine Day wird es auch wieder vermeintlich fröhlicher. Von der Stimmung her eher ein gute Laune Song, wenn er auch den Klimawandel und seiner Leugner zum Thema hat. Übertrieben eingängig und mir einfach deutlich zu simpel. Country like wird es mit Pretty Young Soldier, der schon echt was hat. Prinzipiell sind mir die Songs aber zu kurz, auch hier wieder gerade einmal 3 Minuten lang. Anschließend der rockigste und meiner Meinung nach auch ungewöhnlichste Song des Albums, Petrol Head. Ziemlich ungewohnt, wenn man die letzten Alben von Sting kennt. Ein Gemisch verschiedenster Gitarren bilden hier einen Teppich, der sich über den ganzen Song erstreckt, sehr “fuzzy” abgemischt. Äußerst interessant. Heading South On The Great North Road ist eine wunderbar gefühlvoll eingespielte Nummer, wird allein von einer Arcoustic Gitarre und der Stimme Stings getragen. Von den langsameren Stücken definitiv mein Highlight. If You Can’t Love Me lässt sich schwer einordnen. Rob Mathes baut hier mit seinem Piano eine sehr schöne Spannung auf, aber lieben werde ich ihn nicht. Bei Inshallah wollte er nach meinem Geschmack einfach etwas zu viel. Es ist ein wirklich schöner Song, kommt in der normalen Albumversion aber etwas zu seicht rüber. Die Deluxe Edition des Albums bietet hier noch eine Berlin Sessions Version, die ich nur dringend empfehlen kann. Sie gibt dem Song genau den richtigen Spirit. Ein Song, der von Flüchtlingen in Europa und auf dem Mittelmeer handelt. Hier zeigt Sting wieder einmal sehr eindrucksvoll sein politisches Engagement in seinen Texten. Spätestens seit seinen genialsten Textzeilen aller Zeiten “We share the same biology, regardless of ideology. Believe me when I say to you, I hope the Russians love their children too” in den 80er Jahren fiel er immer wieder mit sehr tiefgründigen Texten auf. So auch und insbesondere bei diesem Album.

Wie hier oben im Video sehr schön zu sehen, hält Sting nicht nur in seinen Texten, was er quasi verspricht. Der Song Inshallah (So Gott will) wurde hier vor 2 Tagen am 12.11.2016 im gerade erst wieder eröffneten Bataclan in Paris performed. Viele kritisieren Sting dafür, dass er genau ein Jahr nach den Terroranschlägen im Bataclan einen solchen Song spielt. Aber es darf doch hier keinem darum gehen, eine komplette Glaubensgemeinschaft zu dämonisieren. Die Terroristen waren schlicht gesagt Mörder, die eine Religion nur missbrauchten. Ich finde es eher eine große Geste, dass Sting einen solchen Song dort spielte. Zumal er mehrfach an dem Abend der Opfer gedachte und eine Schweigeminute einläutete. Der letzte Song des Albums The Empty Chair geht als Abschluss völlig in Ordnung, sehr ruhig, sehr gefühlvoll, aber auch sehr traurig. Wenn man sich den Text mal reinzieht, bleibt es einem schon irgendwie im Halse stecke. Er handelt von dem amerikanischen Journalisten James Foley, der 2014 von Dschihadisten im Irak hingerichtet wurde. Hier bekommt der Empty Chair gleich eine ganz andere Bedeutung…

Musikalisch hat sich Sting bei diesem Album deutlich aus seiner Komfortzone herausbegeben, hat einfach spontan Studiozeit gemietet und Sessions mit seinen jahrelangen Weggefährten gestartet. Dort praktizierten sie dann sein sogenanntes “musikalisches Ping Pong”. Jeder Musiker trägt praktisch im Kreis herum etwas zum Entstehen der Lieder bei. Die groben Umrisse der Songs hat Sting dann zuhause in Form gebracht und Texte zu den gefühlten Stimmungen geschrieben. Die Überraschung ist hierbei ein Umstand, auf den er bewusst setzt. Außerdem hat er sich wohl oft auch selbst “gegeißelt”, indem er sich z.B. bei kaltem Wetter mit Kaffee “bewaffnet” auf die Terrasse gesetzt hat und erst wieder hinein ging, wenn der gewünschte Text fertig war. In solchen eher unangenehmen Situationen lassen sich offensichtlich bessere Texte schreiben, man leidet ein Stück weit und fühlt sich besser ein.

Insgesamt ein wirklich absolut großartiges Album, deutlich besser und vor allem vielseitiger als alles, was in den letzten 20 Jahren von olle Gordon kam. Und da ich den Text von “Russians” nun oben schon einmal zitiert habe, würde ich für das Album doch glatt 9 von 10 Matrjoschkas auspacken…

Tracklist (Deluxe Edition):

  1. I can’t stop thinking about you
  2. 50,000
  3. Down down down
  4. One fine day
  5. Pretty young soldier
  6. Petrol head
  7. Heading south on the Great North Road
  8. If you can’t love me
  9. Inshallah
  10. Empty chair
  11. I can’t stop thinking about you (LA Version)
  12. Inshallah (Berlin Session Version)
  13. Next to you (Live at Rockwood Music Hall)

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